Der Haag

Eine Verteidigungsanlage wurde zum Promenadenweg.

Posted by Danny Duismann am 13. Dezember 2019

Der Promenadenweg, der den Altstadtkern von Ortrand umschließt, markiert die nicht mehr vorhandene Stadtbefestigungsanlage des Mittelalters. Sie wurde, weil schon lange nicht mehr notwendig, im 19. Jahrhundert geschleift. Die beiden einzigen Stadttore wurden 1838 bzw. 1846 abgetragen.

Ortrand, eine Stadt mit einer Verteidigungsanlage. Wie war es dazu gekommen?

Dort, wo sich heute die Großenhainer Straße und die Ponickauer Straße/ Forstgarten Straße kreuzen, ist einer der Anfänge unserer Stadt. Zwei wichtige Fernhandelsweg querten sich hier: Ein Zweig der N-S-Verbindung Ostsee-Böhmen und eine der Streckenführungen der W-O verlaufenden“ Hohen Straße“ (Paris-Frankfurt-Leipzig-Strehla (Elbübergang)-Ortrand (Pulsnitzübergang)-Görlitz-Breslau-Kiew). Diese Straße ist in unserer Gegend identisch mit der „Jakobsstraße“, einem Pilgerweg. Er führte nach Santiago de Compostela in Spanien. An dieser Wegekreuzung entstand die Jakobikirche (die heutige Friedhofskirche) als Etappen- und Rastplatz für die Pilger seit dem 11 Jh. Auch Händler und Kaufleute nutzten die Kirche und Herbergen. So entstand in hochwassergeschützter Lage eine Kaufmanns- und Handelssiedlung. Es ist eine vorstädtische Siedlung. Ortrand gab es noch nicht!

Der Pulsnitzübergang, wie alle Flußquerungen wurden durch Burgen gesichert. Eine solche Burg befand sich dort, wo sich heute die Grundstücke im N-O-Winkel des Topfmarktes befinden. Es war eine Niederungsburg, die an der Pulsnitz gebaut wurde. Ein Doppelwall mit doppeltem Wassergraben umschloß Holz- und Fachwerkgebäude. Ein Steinturm war neben den palisadenbestückten Wällen das wichtigste militärische Bauwerk. Das muß schon im 9./10. Jh. gewesen sein.

Der militärischen Landnahme schloss sich der Landesausbau im 12. Jh. an. Menschen aus westlich gelegenen Gebieten (Thüringen u. a.) kamen hier her. Konrad von Wettin (1124-1156), ein Zeitgenosse von Kaiser Friedrich I. Barbarossa betrieb diese Aufgabe zielstrebig von Meißen aus. Und so haben wir alle Voraussetzungen, die zu einer Stadtgründung führen können ,vereint: Burg, Flußübergang, Handels- und Pilgerwege, Menschen, die Arbeit haben und brauchen in einer vorstädtischen Siedlung. Sie waren guter Dinge, aber schutzbedürftig!

Wer die Stadt anlegen ließ ist noch unbekannt. Es könnte Konrad von Wettin gewesen sein. Wie käme sonst der Meißner Löwe in das Ortrander Stadtwappen? Die bis jetzt älteste bekannte Urkunde, die Ortrand nennt , ist am 26.11.1238 in Groitzsch (in der Nähe von Leipzig) ausgefertigt worden.

Der Stadtgründer hatte klugerweise die beiden Fernhandelswege durch die entstehende Stadt geführt. Er schützte sie mit einem Doppelwall-Doppelgraben und die schon lange bestehende Burg wurde in die Stadtanlage mit einbezogen. Darum heißen noch heute Städtebewohner „Bürger“. Burgbesatzung und Stadtbewohner waren in guten wie schlechten Zeiten aufeinander angewiesen. In unserem Ortrand z. B. auch bei Hochwasser der Pulsnitz. Die Verteidigungsanlage war gleichzeitig Hochwasserschutzanlage!

Ortrand hatte immer seine Wall-Graben-Befestigungsanlage, nie eine Ummauerung. Solche Städte werden in den alten Urkunden und Schriften als „oppidium“ bezeichnet. Das „oppidium“ Ortrand ist eine “2-Tore-Stadt“ mit einer für mittelalterliche Städte untypischen Straßenführung. Eine weitere Besonderheit: Die Jakobikirche wurde zur Stadtkirche und befand sich außerhalb der Umwallung!

Die heutige Friedhofsgasse war der Hauptweg der Kaufmanns- und Handelssiedlung, die nun zur „Vorstadt“ wurde. Eine zweite, die Lindenauer Vorstadt, entstand zwischen dem Lindenauer Tor und dem Pulsnitzufer, also noch auf dem Gebiet der Mark Meißen. Am gegenüberliegenden Ufer die Lausitz. Als kleineres Gegenstück zur meißnischen Burg Ortrand ein befestigter Herrensitz. Der historische Gasthof „Ritterhof“ befindet sich heute genau an dieser Stelle. Auch dieser Herrensitz hatte seine wirtschaftliche Basis ,.nämlich Burkersdorf. 1366 ist die z.Z. älteste urkundliche Nennung des heutigen Ortrander Stadtteils.

Der äußere der beiden Wallgräben nutzte im N der Stadt teilweise einen Arm der Pulsnitz. Das Füllwasser des Doppelgrabens wurde aber aus den Quellen des Oberwaldes herbeigeleitet. Der Abfluß zur Pulsnitz hin ist immer noch vorhanden. Er ist ein interessantes wassertechnisches Bauwerk des Mittelalters, das heute noch funktioniert!

So müssen wir uns das Wall-Graben-Werk vorstellen, auf das der um die Stadt führende Haag zurückgeht:

Ortrand mit Wall-Graben-Werk. Skizze von Heino Schmidt.

Der Pulsnitzübergang, eine Furt, die in die benachbarte Lausitz führte, wurde durch eine Burg gesichert. Sie befand sich wahrscheinlich im NO –Winkel des heutigen Topfmarktes.

Zwischen dem Handelsplatz an der Jakobskapelle und der Burg wurde die Stadt planmäßig angelegt.

Der Stadtgründer führte die beiden Fernhandelsstraßen durch die entstehende Stadt. Seine Stadt umgab er mit einem Doppelwall – Doppelgraben. Die Burg wurde in die Verteidigungsanlagen einbezogen. Der äußere der beiden Wallgräben nutzte im N der Stadt teilweise einen Arm der Pulsnitz. Das Füllwasser des Doppelgrabens wurde aber aus den Quellen des Oberwaldes herbeigeleitet. Der Abfluss zur Pulsnitz ist immer noch vorhanden.

So müssen wir uns das "Wall – Graben – System" vorstellen, auf das der um die Stadt führende "Haag" zurückgeht:

Wall-Graben-System. Skizze von Heino Schmidt.

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Einige Impressionen vom Haag