Auf den Spuren der Schradenvolkstracht

Auf den Spuren der Schradenvolkstracht


von Sylke Stolz, Ortrand


Foto: Ernst Seyler

So manche Besonderheit um den Schraden hat diese Region, deren Name aus der Zeit der ersten deutschen Ansiedlungen stammt, geprägt und sich bis heute bewahrt. Dessen Niederung erstreckt sich zwischen Elsterwerda im Westen und Ortrand im Osten, von den Schradenbergen im Süden und von den Plessaer Höhen im Norden. Dazu zählen die Orte Elsterwerda, Frauwalde, Gröden, Großkmehlen, Großthiemig, Hirschfeld, Kahla, Kleinkmehlen, Krauschütz (heute Elsterwerda), Merzdorf, Ortrand, Plessa, Prösen, Schraden, Seifertsmühl (heute Merzdorf) und Wainsdorf, welche noch heute im Volksmund teilweise die Schradendörfer sind. Der Schraden wird als Wald erstmals 1210 urkundlich genannt und galt früher als Sumpflandschaft. Bis zu den Seperationen und Flussregulierungen in der Mitte des 19. Jh. verkörperte er ein spreewaldartiges Gebiet mit dominierenden Erlenbruchwäldern. Die Bewohner des Schraden nutzten dieses durch Holzschlagen an den Rändern des Urwaldes und durch den Wiesenbau. Sie betrieben Ackerbau, Rindvieh- sowie Pferdezucht und versorgten die ganze Umgebung mit jungen Gänsen. Hopfenanbau und Viehzucht überwogen in alter Zeit bei weitem den Getreideanbau. Für die Mark Meißen galt der Schraden jahrhundertelang als eine ungeheure Holz- und Wildbretkammer.

Auch heute gibt es, um den Schraden noch so manches Rätsel zu lösen. Viele Einzelheiten wurden in unserem modernen Zeitalter vergessen. So wissen die meisten Bewohner nichts mehr über die in unserer Region ausgeprägte Schradentracht, die bei früheren Generationen von großer Bedeutung war und vielfältig in Form und Farbe ausfiel. Nur noch wenige könn1en aus Überlieferungen darüber etwas berichten. Im Auftrag des Stadtgeschichts- und Schradenmuseums Ortrand war ich in der Schradenregion und der angrenzenden Umgebung unterwegs, um die ehemaligen Schradentrachten zu erkunden. „Kleider machen Leute", der Spruch gilt immer noch und er will besagen, dass sich in der Kleidung der Menschen auch etwas von ihrer Wesenheit ausdrückt. Doch stehen wir heute unter dem Einfluss der sich ständig ändernden Modewelt. Aber es ist bekannt, dass es strenge trachtliche Bestimmungen gab und in manchen Gebieten teilweise noch heute gibt. So bestanden Brä1uche und Sitten, bei denen sich zum Beispiel der Ledige vom Verheirateten, die Witwe von der Ehefrau oder die Jungfrau von der Mutter in ihrer Kleidung unterscheiden musste, und war es auch nur in einer ganz kleinen Besonderheit. Die Bedeutung der Volkstracht ist in der Gemeinschaft erwachsen. Dabei spielt die Verbindung mit dem Wort „Volk" eine wichtige Rolle. Es besteht ein Unterschied zwischen den Volkstrachten und den anderen Trachten: den Berufstrachten, den Standestrachten und den Uniformen. Sie ist also nicht für die internationale Gemeinschaft, sondern für die Gemeinschaft „Volk" und ähnlich wie die Bezeichnung „Volkslied" oder „Volksbrauch" zu sehen. Die wirklichen Volkstrachten waren in ihrem Wesen mannigfaltig und abwandlungsfähig, der Arbeit und dem Feste, dem Alter und dem Stand, der Freude und der Trauer - dem Leben des Volkes angepasst. Die Gemeinschaft Volk unterwarf sich dieser allgemeinen Form der Tracht, welche einen bestimmten Stil zeigt und an bestimmte Normen gebunden war. Je weiter die Dörfer voneinander entfernt lagen, desto verschiedenartiger fielen die Trachten in Form und Farbe aus. Durch politische und wirtschaftliche Veränderungen erfolgte eine Weiterentwicklung. Durch die Landesteilung von 1815 und die vollständige Zugehörigkeit des Schraden zur Provinz Sachsen löste sich das bei Sachsen verbleibende Großenhainer Gebiet. Dort orientierte man sich schon eher an der moderneren Form der Bekleidung. Während es dem gänzlichen Mangel an industrieller Beschäftigung sowie der Abgeschlossenheit vom Weltverkehr zuzuschreiben ist, dass im Schraden die Sitten und Bräuche länger erhalten blieben als anderswo, legte man im Großenhainer Raum die Hauben ab und trug anschließend Kopftücher, Kränze mit Tüll oder Bändern.

Um 1885 erfolgte ein Wandel der Zeit. Der Einfluss der Mode machte sich auch im Schraden bemerkbar, aber immer unter Einhaltung der Trachtennormen. Junge Frauen legten ihre alte Tracht und die schweren Röcke ab, für diese man nun leichteres Material verwendete. Der Symbolgehalt der Farben spielte eine wichtige Rolle. So kennzeichneten die Jugendtracht die Farben Rot und Grün, die in den gestreiften Röcken zu finden sind. Als Kopfbedeckung trugen die Mädchen ein rotweißes Tuch um die Haube gebunden, um die Schultern ein rotbuntes Dreiecktuch, welches im Mieder festgesteckt wurde und eine farbige Schürze. Die Farben Rot und Grün standen für die Jugend und drückten Freude aus. Bei der Verheiratetentracht waren Blau und Schwarz für Ältere vorherrschend. Grün und Blau symbolisierten den Ernst des Lebens. Für die Kleidungsstücke bei Halbtrauer, in der Passionszeit und in der Adventszeit verwendete man dunkelfarbiges Leinen und Blaudruck für die Schürzen. Die Halbtrauerzeit, das ist die weitere Trauerzeit bis zu deren Erlöschen und die Trauer für entfernte Verwandte. Die Arbeitstracht hielt sich in den Farben zurückhaltender. Alltagsröcke aus dunklem Leinen, einfache ungebleichte Leinenschürzen sowie Kopftücher waren für die Arbeit auf dem Feld dienlich. Die Mädchen dagegen bevorzugten besonders im Sommer schon eher mehr Farbigkeit in ihrer Arbeitskleidung mit den rotgemusterten Hals- und Kopftüchern. War der lange Rock bei der Arbeit hinderlich, wurde dieser mit Hilfe eines Schürzenbandes ein Stück hoch gebunden. Solch ein buntes Band fertigten die Kinder als Geschenk für ihre Mutter an. Früher, bis 1850, war die Trauerfarbe Weiß. Die Frauen trugen einen schwarzen Rock, darüber eine weiße Schürze. Auf dem Kopf eine pappverstärkte Haube. Dazu legten sie ein weißes, gestärktes langes Tuch, das Trauertuch, welches bis in die Kniekehlen reichte, an. Dieses bedeckte den Kopf und das Gesicht soweit, dass nur die Augen und die Nase hervorsahen. Um den Kopf wurde es in Falten gelegt und diese mit Nadeln festgesteckt. Erst später, nach 1866, war die Trauerfarbe schwarz, das weiße Trauertuch fiel weg, angeblich, weil durch ihr Wehen auf dem Kirchhof vorüberziehende Kavalleriepferde zum Scheuen gebracht worden wären. Die Taschentücher, die die Frauen auf dem Gesangsbuch trugen, waren immer noch weiß. Bei der späteren einfacheren Tracht trugen die Frauen schwarze Schürzen und schwarze Hauben (Seyler, 1935). So war Schwarz besonderen Anlässen vorbehalten, wie auch für die Kirchgangstracht, Abendmahl und für die ersten kirchlichen Feiertage. Die Braut und Brautjungfern gingen in Schwarz gekleidet, trugen ein grünes Kränzchen mit Blümchen um den Haarknoten und je ein kleines Sträußchen über den Ohren. Zum schwarzen Rock gehörten stets weiße Strümpfe. Ein Hochzeitsbrauch besagt, dass bis zur Hochzeit so viele weiße Strümpfe für die Aussteuer gestrickt werden mussten, bis ein Butterfass voll war, dann erst durfte geheiratet werden. Den Frauen wurde am Hochzeitsabend das Haar kurz abgeschnitten und musste von ihnen von da an so getragen werden. Nur an den Schläfen blieb es länger und wurde durch einen schwarzen Faden zusammengehalten. Die Haube saß etwas schräg nach hinten auf dem Kopf, wobei das Haar nicht mehr hervorschauen durfte. Die viel einfachere Kindertracht, war keine spezielle Tracht. Hierbei stellte man diese aus abgelegten Trachtenteilen der Erwachsenen her. Später bekamen die Kinder auch schon modernere Kleidung.

Jedes der einzelnen Kleidungstücke wurde unter Einhaltung bestimmter Trachtennormen gefertigt und besaß sicherlich auch eine eigene namentliche Bedeutung. Die Kopfbedeckung der Mädchen und Frauen bestand aus einem offenen Pappring, der mit einem Tuch umwunden und vorn verknotet wurde. Bei den Frauen betrug die Höhe des Pappringes vorn 11 cm und hinten 10 cm. An den Seiten befanden sich zwei mit Silberborte verstärkte Ohrenrüschen. Der nur 6 - 8 cm hohe Pappring der Mädchen war oben mit einem bestickten Läppchen bespannt. Diese "Papphaube" nannte sich Kamette und wurde unter dem Kinn mit einem Band festgebunden. Die Kopfbedeckung saß weit nach hinten, so dass man den Deckel sehen konnte. Eine große Schleife, welche hinten an die Karnette gesteckt wurde, zierte das Ganze. Später kamen bei den Frauen die Bänderhauben, Putz genannt, auf. Um 1886 trug man Kopftücher, welche Hüllen genannt wurden. Als Leibchen bezeichnet man eine weiße Bluse, die man unter dem schwarzen Mieder trug, welches für die Arbeit aus Satin, für die Ausgangstracht aus Samt bestand und vorn mit einer schwarzen oder farbigen Kordel geschnürt wurde. Dem Anlass entsprechend, festlich oder zur Arbeit, legte man ein Schultertuch um, das vorn im Mieder festgesteckt wurde. Bei festlichen Angelegenheiten bereicherte die Tracht ein Halsband aus schwarzem Samt, bei der gewöhnlichen Tanztracht ein buntes Band. Das schwarze Band zierten silberne Fransen und eine Applikation. Bei Brautjungfern hatte das Band goldene Fransen. Damit der Rock richtig aufbauschte, wurden mehrere Röcke übereinander getragen. Bei den Schradenröcken sind die drei Stufen als Schmuckelement kennzeichnend. Rote, dreistufige Röcke, waren mit Perl- bzw. Paillettenborten auf Samtblenden verziert. Zu festlichen Anlässen gehörten weiße oder farbige Schürzen, oft aus Seide. Eine bunte Schärpe um die Taille schmückte die Tracht. Die selbst-gestrickten Strümpfe aus Schafwolle wurden um den Bund mit einem Band festgebunden. Zum Schuhwerk gehörten Pantoffeln aus Leder oder Samt, welche auch selber bestickt wurden. Im Sommer ging man barfuß und zur Arbeit dienten Holzpantoffeln. Das Material für die Röcke wurde aus eingefärbter Wolle gewebt. Für die Kette, senkrechte Fäden, wurde Leinen und für die bunten Streifen, Fäden quer eingeschossen, Wolle verwendet. Beides nannte sich Beiderwand. Zur späteren Zeit benutzte man Baumwolle. In der Blaudruckwerkstatt wurde das Leinen für die Schürzen gefärbt und bedruckt. Der Blaudruck wurde nach Mustergröße bezahlt. Es gab ungebleichtes Leinen, gebleichtes Leinen, gefärbtes, unbedrucktes Leinen und bedrucktes Leinen, welches preislich das teuerste war. Die Materialien wie Seide, Spitze und Perlen gab es auf dem Jahrmarkt zu kaufen. Tücher oder Schürzen mit Stickereien wurden mit großem Geschick und Ausdauer selber gefertigt. Der Besitz an Kleidungsstücken war nicht so groß wie in der heutigen Zeit, so dass man diese miteinander kombinierte. Im Allgemeinen trug man wenig Schmuck. Bänder, Tücher, Sträußchen u. a. Beiwerk stellten genügend Zierde der Tracht dar. Bei bestimmten Gelegenheiten wurde von den Frauen und Mädchen eine doppelte Perlenkette getragen.

Trachtenschneider waren gelernte Herrenschneider. Frauen durften dieses Handwerk nicht ausführen. Das, was der Schneider nicht nähte, Schürzen, Blusen, Hauben, blieb die Aufgabe der Näherinnen. Frauen mit einem körperlichen Gebrechen waren oftmals als Näher- oder Stickerinnen beschäftigt, da sie wegen ihres Leidens nicht in der Landwirtschaft arbeiten konnten. Auch die Frauen der Lehrer, denen meist mehr Zeit zur Verfügung stand, verdienten sich so Geld. Um die mit viel Mühe und Ausdauer gefertigten Kleidungsstücke vor Bränden, von denen die Menschheit in der früheren Zeit oftmals betroffen war, zu schützen, bewahrte man sie alle in einer Truhe auf, die im Falle eines Feuers schnellstens in Sicherheit gebracht werden konnte. Später hatte man auch Kleiderschränke.

Durch die einsetzende Industrialisierung zerfielen die Dorfgemeinschaften. Industriefabrikate und modische Vorbilder beeinflussten auch Farbe, Stoffe und Beiwerk der Volkstrachten. Im laufe von Jahrzehnten vollzog sich ein Veränderungsprozess des voranschreitenden Lebensrhythmus des Volkes. Heute erscheint uns vielleicht die Volkstracht überholt, unzweckmäßig oder entspricht nicht unserem Geschmack, aber es liegt in ihr eine besondere Bedeutung für unsere Heimatgeschichte begründet. Die Spuren der Schradenvolkstracht lassen sich durch Informationen und Anschauungsmaterialien weiterverfolgen:

  • im Kreismuseum Bad Liebenwerda, wo sich eine unter fachliche Anleitung nachgefertigter Trachtenbestand befindet;
  • beim Heimatverein Hirschfeld e.V., wo noch originale Schradentrachten im Privatbesitz der Hirschfelder und nachgefertigte Trachtenbestandteile zu finden sind;
  • im Stadtgeschichts- und Schradenmuseum Ortrand, in dem u. a. eine Waschküche und ein Nähzimmer nachgebildet wurden;
  • in der Grödener Heimatstube, wo Fotos an frühere Generationen erinnern;
  • im Kreismuseum Senftenberg sind zwei Kirchgangstrachten der südlichen Niederlausitz ausgestellt;
  • im Museumshof Großkoschen, ein Landwirtschaftsmuseum, wo Arbeitsschürzen und Blaudruckschürzen gezeigt werden;
  • im Museum Alte Lateinschule Großenhain befinden sich einige wenige Trachtenbestandteile, von denen aber die Herkunft nicht bekannt ist;
  • im Volkskundemuseum Dresden kann man u. a. die Sorbischen Volkstrachten sehen. Bei den traditionellen Volkstrachten lassen sich auch außerhalb des Schraden oftmals Parallelen erkennen, so dass man eine Ähnlichkeit bei bestimmten Trachtbestandteilen feststellen kann.

Der Lehrer Ernst Seyler (1878 - 1947) ist den älteren Hirschfelder Bürgern sehr gut in Erinnerung, der zu seiner Zeit wertvolle volkskundliche Arbeit leistete, welche unserer Heimatgeschichtsschreibung und -forschung zu Gute kommt. So schrieb er über die damalige Mädchen- und Frauentracht und über Volkskundliches aus dem Schraden. Zu nennen ist der Künstler Prof. Hans Nadler aus Gröden (1897 - 1958), der in seinen Bildern die halbbürgerliche Tracht festhielt. Landschafts- und Bauernmalerei bilden den überwiegenden Teil seines künstlerischen Schaffens. Ein Ausschnitt seiner beeindruckenden, vorwiegend heimatlichen Werke sind im Kreismuseum Bad Liebenwerda und in der Kleinen Galerie Nadler in Elsterwerda ausgestellt.

Junges Mädchen in Arbeitstracht. Foto: Ernst Seyler

Die schlichtere Arbeitstracht hielt sich in den Farben zurückhaltender. Alltagsröcke aus dunklem Leinen, einfache ungebleichte Leinenschürzen sowie Kopftücher waren für die Arbeit auf dem Feld dienlich. Mädchen bevorzugten schon eher mehr Farbigkeit in ihrer Arbeitskleidung. Der lang, bei der Arbeit hinderliche Rock, wurde mit Hilfe eines Schürzenbandes hochgebunden. Solch ein buntes Band fertigten die Kinder als Geschenk für ihre Mutter an.

Frau in Kirchgangtracht zur Passionszeit. Foto: Ernst Seyler

Der Symbolgehalt der Farben spielte eine wesentliche Rolle. So galt blau und Grün dem Ernst des Lebens. In der Halbtrauer, das ist die erweiterte Trauerzeit bis zu deren Erlöschen und die Trauer um entferntere Verwandtschaft, Passionszeit und in der Adventszeit verwendete man dunkelfarbiges Leinen oder Blaudruck für die Schürzen.


Zeichnungen von Sylke Stolz/ Ortrand:

Hirschfelder Bauerntracht, gesammelt von Lehrer Ernst Seyler:


Gehende Frau mit Kindern; Gemälde von Hans Nadler, Gröden (Heimatkalender 1914 für den Kreis Liebenwerda

Für die schriftliche Dokumentation von Mundart und Brauchtum hat sich besonders der Hirschfelder Lehrer Ernst Seyler (1878-1947) engagiert. Im Schraden gab es auch eine Volkstracht. In den Dörfern Großthiemig, Hirschfeld und Gröden hatte sie sich noch bis in die 1930iger Jahre bei alten Frauen erhalten. Die Spezifik der Tracht lag vornehmlich in ihrem Symbolgehalt. Sie kam mannigfaltig in Farben, Formen und Auszier zum Ausdruck. Eine Besonderheit stellte die Kopfbedeckung der Frauen und Mädchen dar. Sie war keine Haube sondern nur ein oben offener Pappring. Dieser wurde mit einem Tuch Tuch umwunden, das diagonal zu einer Binde zusammengelegt und vorn verknotet war, so dass die Enden wie kleine Flügel abstanden. Bei den Mädchen war dieser Reifen nur 6 bis 8 cm hoch und oben mit einem bestickten Läppchen, dem „Boden“ bespannt. Das ganze hieß „Karnette“. Bei den Frauen betrug die Höhe des Reifens vorn 11 und hinten 10 cm. Gehalten wurde der Reifen durch ein Band, das oben quer übergelegt und unterm Kinn zur Schleife gebunden war. Außerden wiesen diese „Papphauben“ der Frauen noch zwei Ohren genannte Rüschen auf, die seitwärts angebracht waren. Bei den Schradenröcken sind die drei Stufen als Schmuckelemente kennzeichnend. Eigentlich ist der Symbolgehalt der Farben Rot, Grün bzw. Blau und Schwarz. Rot als Symbol von Jugend und Freude zeigte sich in meist rotgrün gestreiften Rock, im rotbunten Halstuch und dem rotweißen Tuch das um die Haube gebunden war. Das Läppchen der Haube wies je nach Anlass rotbunte Ornamente und Goldstickerei auf. Mit einem schwarzen Mieder, einem weißen Ärmelhemd und schwarzen Strümpfen in rotbunt bestickten Samtpantoffeln und gewöhnlich einer Blaudruckschürze war die Ausgangstracht der Jugend komplettiert. Dagegen gehörten zu Feierlichkeiten Seidenschürzen weiße Strümpfe und Lacklederpantoffeln. Grün oder Blau für den Ernst des Lebens- dazu gehörte die Halbtrauertracht, die gegen Ende der Trauerzeit und in der Passionszeit üblich war- wurden für den Rock, Blau für das Tuch um die Haube dunkelfarbige Baumwolle oder Blaudruck für die Schürze verwendet. Schwarz waren die Taillienjacke; hier ohne Spitzenansatz um den Schoß herum die Strümpfe und Lederpantoffeln. So besuchte man auch die Kirche in Schwarz.


Quellen und weiterführende Literatur:

Bornschein, Otto: Heimatkunde des Kreises Liebenwerda, Liebenwerda 1907
Grundmann, Luise: Der Schraden - Eine landeskundliche Bestandsaufnahme im Raum Elsterwerda, Lauchhammer, Hirschfeld und Ortrand, Köln - Weimar - Wien 2001
Lange, Albrecht: Volkstracht, in: Grundmann (2001), S. 39 - 42
Seyler, Ernst: Die Männer- und Frauentracht vor etwa 100 Jahren, in: Heimatkalender für den Kreis Liebenwerda 1935, S. 69 - 71
Seyler, Ernst: Volkskundliches aus dem „Schraden", in: Mitteldeutsche Blätter für Volkskunde, 4. Jg. (1929), 2. H., S. 17-18
Spamer, Adolf: Die deutsche Volkskunde, 1. Bd., Leipzig - Berlin 1934
Schmidt, Otto Eduard: Kursächsische Streifzüge, 3. Bd. (Aus der alten Mark Meißen), Dresden 1921

Glossar

Haube - bei Mädchen Karnette
Bestand aus einem offenen Pappring, der mit einem Tuch umwunden und vorn verknotet wurde. Bei den Frauen betrug die Höhe des Pappringes vorn 11 cm und hinten 10 cm. An den Seiten befanden sich zwei mit Silberborte verstärkte Ohrenrüschen . Der nur 6 - 8 cm hohe Pappring der Mädchen war oben mit einem bestickten Läppchen bespannt. Diese „Papphaube" nannte sich Karnette und wurde unter dem Kinn mit einem Band festgebunden. Eine gt0ße Schleife, hinten an die Karnette gesteckt wurde, zierte das Ganze.
Kittelchen
Das Kittelchen ist eine weiße Bluse, die man unter dem Mieder trug.
Mieder
Über dem Kittelchen trugen die Frauen ein schwarzes Mieder, welches für die Arbeit aus Satin, für die Ausgangstracht aus Samt bestand und vorn mit einer Kordel geschnürt wurde.
Schultertuch
Entsprechend dem Anlass, festlich oder zur Arbeit, legte man ein Schultertuch um, welches vom im Mieder festgesteckt wurde. Bei festlichen Angelegenheiten bereicherte die Tracht ein Halsband aus schwarzem Samt, bei der gewöhnlichen Tanztracht ein buntes Band. Das schwarze Band zierten silberne Fransen und eine Applikation. Bei Brautjungfern hatte das Band goldene Fransen.
Rock
Bei den Schradenröcken sind die drei Stufen als Schmuckelement kennzeichnend. Damit der Rock richtig aufbauschte, wurden mehrere Röcke übereinander getragen.
Schürze
Zu festlichen Anlässen gehörten spitzenbesetzte Seitenschürzen.
Taillenband
Eine bunte Schärpe, welche man um die Taille band, schmückte die Tracht.
Strümpfe
Die selbstgestrickten Strümpfe aus Schafwolle wurden um den Bund mit einem Band festgebunden.
Pantoffeln
Zum Schuhwerk gehörten Pantoffeln aus Leder oder Samt, die teilweise auch mit Stickereien versehen wurden. Zur Arbeit dienten Holzpantoffeln.